Wohnen & Freizeit
UN-Behindertenrechtskonvention – die Grundlage
Die Vereinten Nationen (UN) haben sich darauf geeinigt, welche Rechte Menschen mit Behinderungen haben sollen. Diese Rechte werden im „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ beschrieben, der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Alle Staaten, die diese Vereinbarung unterschrieben haben, erkennen an, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte und die gleichen Wahlmöglichkeiten haben in der Gemeinschaft zu leben wie die Menschen ohne Behinderungen. Auch Deutschland hat das Übereinkommen unterschrieben. Das heißt, die UN-Behindertenrechtskonvention gilt auch in Deutschland.
Die Staaten sollen Maßnahmen ergreifen, die dazu geeignet sind, dass Menschen mit Behinderungen dieses Recht verwirklichen können und ihre Einbeziehung in die Gemeinschaft und ihre Teilhabe an der Gemeinschaft erleichtert wird. Alle Maßnahmen sollen auch wirksam sein, das heißt, sie sollen helfen, die Teilhabe zu erreichen.
Die Staaten sollen verschiedene Dinge sicherstellen:
a) Alle Menschen mit Behinderungen sollen selbst entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie müssen nicht in besonderen Wohnformen leben.
b) Alle Menschen mit Behinderungen sollen zu Hause oder in Einrichtungen die Möglichkeit haben, von gemeindenahen Diensten unterstützt zu werden. Dazu gehört auch die persönliche Assistenz, die notwendig ist zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und zum Dazugehören zur Gemeinschaft. Die persönliche Assistenz soll auch helfen zu vermeiden, dass Menschen mit Behinderungen sich aus der Gemeinschaft zurückziehen und sich absondern.
c) Gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit sollen allen Menschen mit und ohne Behinderungen in gleicher Weise zur Verfügung stehen. Diese Dienstleistungen und Einrichtungen sollen auch die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen berücksichtigen.
Teilhabe im SGB IX – selbstbestimmte Lebensführung
Allen Menschen mit Behinderungen, also auch allen Menschen im Autismus-Spektrum, die sich in der Teilhabe als beeinträchtigt erleben, soll eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht werden. Die Ziele, die in der UN-Behindertenrechtskonvention stehen, sollen mit den Regelungen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch umgesetzt werden. Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch ist die „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ geregelt. Es wird kurz SGB IX genannt. Die Menschen mit Behinderungen, die eine Leistung nach diesem Gesetzbuch erhalten können, werden Leistungsberechtigte genannt.
Es wird beispielsweise geregelt, dass Leistungsberechtigte möglichst viel Gelegenheit bekommen, die eigenen Lebensumstände selbst zu gestalten, und dass sie dabei unterstützt werden, möglichst viele Dinge selbst bestimmen können. Dabei sollen die Wünsche der Leistungsberechtigten so gut es möglich ist, umgesetzt werden. Selbstverständlich geht das alles nur im Rahmen der finanziellen Mittel, die zur Verfügung stehen.
An einem Beispiel wird das deutlich: Ein Leistungsberechtigter hat den Wunsch in einer Burg zu wohnen. Für Wohnen steht eine bestimmte Summe Geld zur Verfügung. Wenn der Leistungsberechtigte eine Wohnung in einer Burg findet, für deren Miete dieses Geld ausreicht, kann sein Wunsch verwirklicht werden.
Wohnen
In verschiedenen Wohnformen
Auch im Bereich Wohnen steht die selbstverantwortliche Gestaltung der Lebensumstände und die Förderung der Selbstbestimmung im Vordergrund. Hier ist abzuwägen, in welchen Bereichen der Mensch im Autismus-Spektrum Unterstützung benötigt und in welchem Umfang diese Unterstützung erforderlich ist. Dann kann überlegt werden, welche Wohnform in Frage kommen könnte.
Menschen im Autismus-Spektrum leben derzeit in vielen unterschiedlichen Wohnformen: in der eigenen Wohnung, im ambulant betreuten Wohnen, in einer Wohngemeinschaft, auch im Erwachsenenalter im Haushalt der Eltern oder in einer Einrichtung.
Wichtig ist ein eigenes Zimmer, das abgeschlossen vom Rest der Wohnung ist, insbesondere, wenn mehrere Personen in der Wohnung leben. Dies ist ein Rückzugsort, der gleichzeitig Ruhe, Vertrautheit und Sicherheit gibt. Wie dieses Zimmer eingerichtet und gestaltet wird, sollte der Bewohner selbst bestimmen. Er weiß am besten, was er braucht, um sich wohlzufühlen.
Viele Autisten, die in einer eigenen Wohnung leben – alleine oder gemeinsam mit anderen – wünschen sich eine Person, die sie jederzeit kontaktieren können, um Fragen zu stellen oder Schwierigkeiten anzusprechen. So können kleinere Probleme, die im Alltag auftauchen schnell und unkompliziert geklärt werden.
Als hilfreich erlebt wird meistens auch alles, was den Alltag strukturiert, wie zum Beispiel:
- geeignete Pläne, um aufzuräumen, zu putzen oder einzukaufen;
eine Rezeptsammlung mit Ideen zur gesunden Ernährung und zur Essenszubereitung; - ein Tagesplan, in den Termine, Aktivitäten und die Einnahmezeiten für Medikamente eingetragen werden können;
- ein Adressbuch mit allen wichtigen Adressen:
- eine Sammlung mit Ideen, was der Person bei der Entspannung hilft;
- Fahr- und Linienpläne der öffentlichen Verkehrsmittel, die regelmäßig genutzt werden;
- eine Liste mit den Adressen der Ärzte und Therapeuten, die die Person aufsucht;
- ein Kalender, um Termine in unterschiedlichen Kategorien eingeteilt einzutragen;
- eine Übersicht über die Öffnungszeiten der Einrichtungen, die von der Person häufig besucht werden, wie beispielsweise Bibliothek, Bank, Läden;
- eine Sammlung mit Ideen, was in der Freizeit unternommen werden könnte;
- Beschriftung von Schränken und Regalen.
Besonders in der Anfangszeit einer neuen Wohnform sind regelmäßige Gespräche sinnvoll, um herauszufinden, was bereits gut organisiert wurde oder wo noch Ideen gefunden werden müssen. Aber auch wenn ein Mensch im Autismus-Spektrum bereits länger in einer Wohnung lebt, sollte immer wieder überprüft werden, ob alles noch den Bedürfnissen entspricht, da diese sich im Laufe der Zeit ändern können.
Auszug aus dem Elternhaus
Manche junge erwachsene Autisten haben den Wunsch nach einer eigenen Wohnung, andere nicht. Sofern die erwachsenen autistischen Menschen auch weiterhin im Elternhaus leben und wohnen möchten, ist dies natürlich vollkommen in Ordnung.
Aber auch in diesen Fällen sollte darüber nachgedacht werden, wie die geeignete Wohnform aussehen kann, wenn die Eltern nicht mehr in der Lage sein sollten, angemessen für ihr autistisches erwachsenes Kind zu sorgen. Wenn die Überlegungen frühzeitig gemacht werden, besteht die Chance, in kleinen Schritten einen Auszug in die eigene Wohnung oder eine andere geeignete Wohnform durchzuführen. Die Eltern haben im besten Fall noch die Möglichkeit, ihr Kind auf dem Weg zu begleiten und die Randbedingungen zu etablieren für die Unabhängigkeit von den Eltern. Wenn Ansprechpartner für das erwachsene autistische Kind gefunden wurden, die bei Fragen und Problemen weiterhelfen, der Alltag so organisiert ist, dass der Autist gut zurecht kommt, Ärzte und andere Anlaufstellen über die Besonderheiten auf Grund des Autismus informiert wurden, dann können die Eltern beruhigt in die Zukunft schauen.
Gleiches gilt selbstverständlich auch, wenn die Eltern nicht mehr in der eigenen Wohnung für ihr erwachsenes autistisches Kind sorgen möchten. Im Normalfall leben Kinder bis zur Selbständigkeit im Elternhaus und verlassen dieses dann. Auch Eltern eines behinderten Kindes dürfen den Wunsch haben, dass dies so ablaufen wird. Wenn dann eine geeignete Wohnform für den autistischen Menschen gefunden wird und die Gelegenheit besteht, sich zu besuchen und gemeinsam Dinge zu unternehmen, können Eltern und Kind weiterhin eine gute Beziehung zueinander haben.
Freizeit
Alle Menschen mit Behinderungen sollen die Gelegenheit haben, ihre Freizeit selbst zu gestalten. Ihre Wünsche sollen berücksichtigt werden. Im Rahmen des SGB IX sind auch im Bereich Freizeit Leistungen zur Teilhabe möglich.
Auch hier wird festgestellt, in welchem Umfang der Mensch im Autismus-Spektrum Unterstützung benötigt. Im Sinne einer gleichberechtigten Teilhabe an der Gemeinschaft kann es erforderlich sein, zunächst Ideen und Anregungen zu sammeln, welche Freizeitaktivitäten in Frage kommen. Im nächsten Schritt kann dann überlegt werden, wie die Angebote und Aktivitäten realisiert werden können. Dabei kann auch festgestellt werden, welche Art von Unterstützung in welchem Umfang erforderlich ist, um das Teilhabeziel zu erreichen.