Recht & Gesetz
Behinderung – wie wird das definiert?
ICF
Die „Internationale Klassifizierung der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ wird kurz ICF genannt. Die ICF ist eine Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
In der ICF wird eine Behinderung als eine Wechselwirkung zwischen dem Menschen mit Beeinträchtigungen und den Barrieren in verschiedenen Lebensbereichen definiert. Diese Barrieren können sowohl umweltbedingt sein als auch einstellungsbedingt.
Ein Beispiel macht dies deutlich: für einen Rollstuhlfahrer ist ein hoher Bordstein eine umweltbedingte Barriere. Wenn dem Schüler, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, die Teilnahme an einem Ausflug verweigert wird, weil beim Lehrer die Sorge besteht, es könnte zu Schwierigkeiten kommen, ist dies eine einstellungsbedingte Barriere.
Die ICF nennt diese neun Lebensbereiche:
- Lernen und Wissensanwendung,
- Allgemeine Aufgaben und Anforderungen,
- Kommunikation,
- Mobilität,
- Selbstversorgung,
- Häusliches Leben,
- Interpersonelle Interaktion und Beziehungen,
- Bedeutende Lebensbereiche,
- Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben.
Behinderung im SGB IX
Was eine Behinderung ist, wird im Neunten Buch Sozialgesetzbuch beschrieben. Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch ist die „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ geregelt. Es wird kurz SGB IX genannt. Der Begriff der Behinderung steht in § 2 Abs. 1 SGB IX:
„Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- oder Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.“
Diese Definition hat ihre Grundlage in der ICF. Behinderung entsteht also nach dieser Definition also nicht durch eine Erkrankung oder Behinderung, sondern immer durch Barrieren, die die Teilhabe der Betroffenen beeinträchtigen. Eine Person, die zwar eine Krankheit oder Behinderung hat, sich aber nicht als beeinträchtigt in der Teilhabe erlebt, ist demnach nicht behindert im Sinne der ICF und des SGB IX.
Viele Menschen, die eine Autismus-Spektrum-Diagnose haben, werden insbesondere durch die Störung der sozialen Interaktion in Wechselwirkung mit umweltbedingten und einstellungsbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gemeinschaft gehindert. Autismus ist damit in der Regel eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX, wenn eine korrekt gestellte Diagnose vorliegt und die Person bei sich selbst das Vorliegen von oben beschriebenen Barrieren und somit eine Beeinträchtigung der Teilhabe feststellt.
UN-Behindertenrechtskonvention
Die Vereinten Nationen (UN) haben sich darauf geeinigt, welche Rechte Menschen mit Behinderungen haben sollen. Diese Rechte werden im „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ beschrieben, der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Alle Staaten, die diese Vereinbarung unterschrieben haben, erkennen an, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte und die gleichen Wahlmöglichkeiten haben in der Gemeinschaft zu leben wie die Menschen ohne Behinderungen. Auch Deutschland hat das Übereinkommen unterschrieben. Das heißt, die UN-Behindertenrechtskonvention gilt auch in Deutschland.
Die Staaten sollen Maßnahmen ergreifen, die dazu geeignet sind, dass Menschen mit Behinderungen dieses Recht verwirklichen können und ihre Einbeziehung in die Gemeinschaft und ihre Teilhabe an der Gemeinschaft erleichtert wird. Alle Maßnahmen sollen auch wirksam sein, das heißt, sie sollen helfen, die Teilhabe zu erreichen.
Die Staaten sollen verschiedene Dinge sicherstellen:
a) Alle Menschen mit Behinderungen sollen selbst entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie müssen nicht in besonderen Wohnformen leben.
b) Alle Menschen mit Behinderungen sollen zu Hause oder in Einrichtungen die Möglichkeit haben, von gemeindenahen Diensten unterstützt zu werden. Dazu gehört auch die persönliche Assistenz, die notwendig ist zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und zum Dazugehören zur Gemeinschaft. Die persönliche Assistenz soll auch helfen zu vermeiden, dass Menschen mit Behinderungen sich aus der Gemeinschaft zurückziehen und sich absondern.
c) Gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit sollen allen Menschen mit und ohne Behinderungen in gleicher Weise zur Verfügung stehen. Diese Dienstleistungen und Einrichtungen sollen auch die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen berücksichtigen.
Teilhabe im SGB IX
Allen Menschen mit Behinderungen, also auch allen Menschen im Autismus-Spektrum, die sich in der Teilhabe als beeinträchtigt erleben, soll eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht werden.
Die Ziele, die in der UN-Behindertenrechtskonvention stehen, sollen mit den Regelungen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch umgesetzt werden. Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch ist die „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ geregelt. Es wird kurz SGB IX genannt. Die Menschen mit Behinderungen, die eine Leistung nach diesem Gesetzbuch erhalten können, werden Leistungsberechtigte genannt.
Es wird beispielsweise geregelt, das Leistungsberechtigte möglichst viel Gelegenheit bekommen, die eigenen Lebensumstände selbst zu gestalten, und dass sie dabei unterstützt werden, möglichst viele Dinge selbst bestimmen können. Dabei sollen die Wünsche der Leistungsberechtigten so gut es möglich ist, umgesetzt werden. Selbstverständlich geht das alles nur im Rahmen der finanziellen Mittel, die zur Verfügung stehen.
An einem Beispiel wird das deutlich: Ein Leistungsberechtigter hat den Wunsch in einer Burg zu wohnen. Für Wohnen steht eine bestimmte Summe Geld zur Verfügung. Wenn der Leistungsberechtigte eine Wohnung in einer Burg findet, für deren Miete dieses Geld ausreicht, kann sein Wunsch verwirklicht werden.
Bundesteilhabegesetz
Es gibt ein „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“ das kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG) genannt wird. In diesem Gesetz wird geregelt, wie die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gestaltet werden soll und welche Rechte auf Rehabilitation und Teilhabe sie haben.
Das BTHG trat und tritt in verschiedenen Stufen nacheinander in Kraft:
2017: In der Eingliederungshilfe wird die Einkommens- und Vermögensanrechnung angehoben. In der Sozialhilfe wird der Vermögensfreibetrag erhöht.
2018: Das BTHG tritt in Kraft. Verfahrensregelungen werden geändert und neue Leistungen hinzugefügt, zum Beispiel Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX).
2020: Alles zur Eingliederungshilfe wird im Teil 2 des SGB IX geregelt. Davor war die Eingliederungshilfe ein Teil der Sozialhilfe im SGB XII.
2023: Es wird neu geregelt, wer Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe bekommen kann. Das steht in § 99 SGB IX.
Eingliederungshilfe
Allgemeines
Im Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird geregelt, wie die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gestaltet werden soll und welche Rechte auf Rehabilitation und Teilhabe sie haben. Wenn Leistungen wegen einer wesentlichen Behinderung nötig sind, gibt es in der Eingliederungshilfe einen Rechtsanspruch auf die Übernahme der Kosten dieser Leistungen. Mit der Eingliederungshilfe soll die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft gefördert werden (§ 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit einer seelischen Behinderung oder einer drohenden seelischen Behinderung wird in § 35 a SGB VIII geregelt.
Leistungen der Eingliederungshilfe
Im SGB IX gibt es vier Leistungsgruppen:
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation;
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben;
- Leistungen zur Teilhabe an Bildung;
- Leistungen zur sozialen Teilhabe.
Die Leistungen zur sozialen Teilhabe sind immer nachrangig, das bedeutet, dass zuerst geprüft werden muss, ob die erforderliche Leistung innerhalb der ersten drei Leistungsgruppen erbracht werden kann.
Bei den Regelungen zur Eingliederungshilfe steht keine feste Liste, welche Leistungen gewährt werden können. Die Leistungen orientieren sich immer an den Bedürfnissen des konkreten Einzelfalles. Nach § 113 Abs. 1 SGB IX werden „Leistungen zur Sozialen Teilhabe […] erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern …“.
Persönliches Budget
Leistungen zur Teilhabe können als Dienst- und Sachleistungen gewährt werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, diese Leistungen als Geldleistung in Form des Persönlichen Budgets zu gewähren. Ein Persönliches Budget kann auch für trägerübergreifende Leistungen gewährt werden. Die Vorschriften stehen in § 29 SGB IX. Selbstverständlich kann das Persönliche Budget nur für die Leistungen genutzt werden, die genehmigt wurden.
Durch das Persönliche Budget werden die Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen haben, darin unterstützt, ein möglichst selbstbestimmtes Leben in eigener Verantwortung zu führen.
Ein Beispiel macht den Unterschied zwischen einer Sachleistung und der Gewährung dieser Leistung als Geldleistung in Form des Persönlichen Budgets deutlich:
Schulbegleitung kann als Leistung zur Teilhabe im Bereich Bildung gewährt werden, wobei der Umfang der Leistung festgelegt wird. Im einen Fall (Sachleistung) rechnet das zuständige Amt direkt mit dem Leistungserbringer ab, der die Schulbegleitung zur Verfügung stellt. Bei der Gewährung des Persönlichen Budgets besteht zum einem die Möglichkeit, dass der Leistungsempfänger (oder seine Eltern) direkt Arbeitgeber der Schulbegleitung wird oder die Rechnungen der Schulbegleitung, die sie im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit stellt, direkt an die Schulbegleitung begleicht.
Behinderten-Ausweis
Versorgungsmedizinverordnung
Ein Grad der Behinderung (GdB) wird nach der Versorgungsmedizinverordnung festgestellt. Umgangssprachlich wird der Grad der Behinderung oft in Prozent angegeben, beispielsweise „Ich habe einen GdB von 70 Prozent.“ Das ist aber falsch, es wird nur von einem Grad der Behinderung gesprochen, richtig wäre „Ich habe einen GdB von 70“. Ab einem Grad der Behinderung von 50 wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Damit können Nachteilsausgleiche geltend gemacht werden. Dies wird ab § 151 im Neunten Buch Sozialgesetzbuch Teil 3 geregelt, kurz SGB IX Teil 3.
Wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 30, aber weniger als 50 festgestellt wurde, kann Gleichstellung beantragt werden, sofern die Betroffenen in Folge der Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz gemäß § 156 SGB IX ohne die Gleichstellung nicht erlangen oder nicht behalten können.
In der derzeit gültigen Versorgungsmedizinverordnung wird Autismus im Punkt 3.5 geregelt. Hier ist von einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) gesprochen. Der GdS entspricht dem GdB.
Bei Vorliegen einer Autismus-Diagnose wird das Maß der sozialen Anpassungsschwierigkeiten bestimmt und davon abhängig ein GdS festgelegt. Es gibt verschiedene Kategorien: keine, leichte, mittlere und schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten. Eine Schwerbehinderung liegt ab dem Vorhandensein einer mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeit vor. Die Feststellung, welchen Umfang die sozialen Anpassungsschwierigkeiten haben, ist schwierig. Bei dieser Feststellung ist immer der konkrete Einzelfall zu betrachten, eine pauschale Festlegung ist nicht ausreichend.
Merkzeichen
Zusätzlich zum Grad der Behinderung können behinderungsbedingte Nachteilsausgleiche, die sogenannten „Merkzeichen“ gewährt werden. Bei Vorliegen von Autismus kann nicht pauschal gesagt werden, welche Merkzeichen zuerkannt werden, da die Ausprägung des Autismus individuell sehr unterschiedlich sein kann. Es ist nicht vom Lebensalter abhängig, welche Merkzeichen gewährt werden können. Ausgeglichen werden können aber nur solche Nachteile, die ein Mensch ohne Behinderungen, der das gleiche Alter hat, normalerweise nicht hat. Bei schwerbehinderten Menschen im Autismus-Spektrum kommt in der Regel die Prüfung des Vorliegen der Merkzeichen G, B oder H in Betracht.
➔ Merkzeichen H
➔ Das Merkzeichen H bedeutet „hilflos“.
➔ Eine Person ist hilflos im Sinne von § 33 Einkommensteuergesetz (EStG), wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang auf fremde Hilfe angewiesen ist. Hilflosigkeit liegt auch vor, wenn die fremde Hilfe in dauernder Bereitschaft stehen muss, um anzuleiten oder zu überwachen. Derartige häufige und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen sind beispielsweise An- und Auskleiden, Körperpflege, Toilettengang, Nahrungsaufnahme, notwendige körperliche Bewegung, geistige Anregung und Möglichkeiten zur Kommunikation. Ist die Unterstützung nur bei einzelnen Verrichtungen erforderlich liegt keine Hilflosigkeit vor, selbst wenn es sich um lebensnotwendige und wiederholt vorkommende Verrichtungen handelt, wie beispielsweise die Hilfe beim Anziehen einzelner Kleidungsstücke, die notwendige Begleitung bei Spaziergängen oder Einkäufen oder einfache Wundbehandlungen. Generell dürfen Verrichtungen, die mit der Pflege der Person nicht unmittelbar zusammenhängen, wie zum Beispiel aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, hier nicht berücksichtigt werden.
➔ Bei Kindern wird zur Feststellung des Vorliegens von Hilflosigkeit nur der Teil der Unterstützung betrachtet, der über dem eines gesunden gleichaltrigen Kindes liegt.
➔ Die Nachteilsausgleiche beim Merkzeichen H sind:
➢ Unentgeltliche Beförderung des Berechtigten im öffentlichen Personennahverkehr;
➢ Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer beim KFZ, das auf den Betroffenen zugelassen ist;
➢ Geltendmachen von Pauschbetrag und außergewöhnliche Belastungen im Rahmen der Steuererklärung.
➢
➔ Merkzeichen G
➔ Das Merkzeichen G bedeutet „erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr“.
➔ Hier wird betrachtet, ob Wegstrecken im Ortsverkehr ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne erhebliche Gefahren für sich oder andere zurückgelegt werden können. Wenn dies nicht gelingt auf Grund einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder in Folge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen vorliegen, sind nicht die konkreten örtlichen Verhältnisse ausschlaggebend. Es kommt nur darauf an, welche Wegstrecken Menschen ohne Behinderungen im gleichen Alter zu Fuß zurücklegen. Eine Strecke von ungefähr zwei Kilometern, die in einer halben Stunde zurückgelegt werden kann, gilt als ortsüblich.
➔ Nachteilsausgleich bei Merkzeichen G:
➔ Unentgeltliche Beförderung des Berechtigten im öffentlichen Personennahverkehr nach dem Erwerb einer entsprechenden Wertmarke.
➔ Merkzeichen B
➔ Das Merkzeichen B bedeutet „Berechtigung ständiger Begleitung“.
➔ Schwerbehinderte Menschen, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind, dürfen eine Begleitperson mitnehmen. Die Hilfe kann beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt nötig sein oder zum Ausgleich von Orientierungsstörungen und von Reizüberflutungszuständen.
➔ Das Merkzeichen B bedeutet nicht, dass die Person eine Gefahr für sich oder andere darstellt, wenn sie alleine unterwegs ist. Es bedeutet nur, dass die Person berechtigt ist, eine Begleitperson mitzunehmen.
➔ Es ist nicht vorgesehen, dass das Merkzeichen B als einziges Merkzeichen vergeben wird. Bei denjenigen Behinderten, denen das Merkzeichen G oder H zuerkannt wird, sind in der Regel auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen B gegeben.
➔ Nachteilsausgleich bei Merkzeichen B:
➔ Unentgeltliche Beförderung der Begleitperson im Nah- und Fernverkehr.
Wo wird der Schwerbehindertenausweis beantragt?
Der Antrag kann beim zuständigen Versorgungsamt gestellt werden. Die Formulare sind häufig auf der Webseite des jeweiligen Amtes zu finden. Es ist hilfreich, dem Antrag Arztberichte und Gutachten beizulegen, in denen es Anzeichen für das Vorliegen des Autismus gibt oder die diesen diagnostizieren. Es genügt, Kopien einzureichen, so dass die Originale bei den persönlichen Unterlagen verbleiben können.
Bei der Beantragung des Schwerbehindertenausweises sollten die genauen Auswirkungen des Autismus beschrieben werden. Beispielsweise Schwierigkeiten bei der Orientierungsfähigkeit, Einschränkungen bei der Konzentrationsfähigkeit, Wahrnehmungsbesonderheiten in den jeweiligen Ausprägungen, Verhalten bei Reizüberflutung, Erfordernis von Anleitung und Aufsicht, die über das Maß Gleichaltriger hinausgeht. Die Schwierigkeiten in der Kommunikation und der sozialen Interaktion sollten auch ausgeführt werden, wie z.B. eine eingeschränkte oder fehlerhafte Interpretation von Handlungsabsichten anderer, von Mimik und Gestik oder von Gesprochenem, die zu unangemessenen und unvorhersehbaren Reaktionen bis hin zur Selbst- und Fremdgefährdung führen kann.
Selbstverständlich sind dies nur Beispiele, die als Anregung dienen können. Es ist immer die individuelle Situation der Person ausschlaggebend, für die der Schwerbehindertenausweis beantragt werden soll.
Wie lange ist der Schwerbehindertenausweis gültig?
In der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ist geregelt, wie lange ein Schwerbehindertenausweis gilt. Grundsätzlich wird die Gültigkeit auf längstens 5 Jahre ab dem Monat der Antragstellung befristet. Sofern sich die gesundheitlichen Verhältnisse, wegen derer der Ausweis gewährt wurde voraussichtlich nicht ändern werden, kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden.
Für schwerbehinderte Kinder unter 10 Jahren ist die Gültigkeit längstens bis zum Ende des Kalendermonates zu befristen, in dem das 10. Lebensjahr vollendet wird. Für schwerbehinderte Menschen zwischen 10 und 15 Jahren ist die Gültigkeit längstens bis zum Ende des Kalendermonates zu befristen, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. Damit der Schwerbehindertenstatus nicht entfällt, sollte immer rechtzeitig eine Verlängerung des Schwerbehindertenausweises beantragt werden.
Rückwirkende Anerkennung der Schwerbehinderung
Es gibt keine pauschale Festsetzung eines Grades der Behinderung ab einem bestimmten Lebensalter. Eine Behinderung liegt gemäß der Versorgungsmedizinverordnung erst ab dem Zeitpunkt vor, ab dem die Teilhabe beeinträchtigt war.
Wenn belegt werden kann, dass bereits vor der Autismusdiagnose Symptome vorlagen, die zu dieser Diagnose geführt haben, kann eine rückwirkende Anerkennung der Schwerbehinderung beantragt werden. In diesen Fällen ist es hilfreich, Kopien der entsprechenden Arztberichte und Gutachten mit einzureichen.
Sofern das Versorgungsamt in einem Grundlagenbescheid die rückwirkende Anerkennung der Schwerbehinderung feststellt, kann beim Finanzamt die Rückerstattung zuviel bezahlter Steuer beantragt werden. Allerdings ist die Änderung von Steuerbescheiden auf Grund sogenannter ressortfremder Grundlagenbescheide nur noch für maximal vier Jahre rückwirkend möglich. Dies ist in § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geregelt, wonach die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer vier Jahre beträgt.
Pflegegrad
Leistungen der Pflegekasse können nicht nur bei körperlichen Krankheiten oder Behinderungen gewährt werden, sondern auch bei geistigen und psychischen Beeinträchtigungen. Auch Menschen im Autismus-Spektrum können Pflegeleistungen auf Grund eines Pflegegrades beziehen, weil Autismus eine Behinderung ist, die zwar nicht immer direkte Unterstützung bei täglichen Verrichtungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung oder Mobilität erfordert, jedoch zu einer deutlichen Einschränkung in der Selbständigkeit der Betroffenen in anderen Bereichen führen kann.
Das Maß an Pflege, das ein einzelner Autist benötigt, ist individuell verschieden. Manche benötigen beispielsweise nur im psychosozialen Bereich Unterstützung, während andere eine Strukturierung des Alltags brauchen und auf eine Person angewiesen sind, die ihre Bedürfnisse erkennt und den Menschen im Autismus-Spektrum bei der Durchführung der täglich anfallenden Verrichtungen unterstützt, wie zum Beispiel beim Auswählen angemessener Kleidung, der Ernährung oder der Körperpflege.
Ein Antrag auf Gewährung eines Pflegegrades kann formlos bei der zuständigen Pflegekasse gestellt werden. Die Pflegekasse beauftragt dann einen Pflegegutachter, der zu einem Hausbesuch kommt und die Pflegesituation einschätzt.
Bei der Beurteilung werden verschiedene Lebensbereiche betrachtet, zu denen auch kommunikative Fähigkeiten, besondere Verhaltensweisen, die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte und die Fähigkeit zur Selbstversorgung zählen. Zusätzlich wird die Notwendigkeit der Anwesenheit einer Betreuungsperson geprüft, zum Beispiel auf Grund von Unruhe, Weglauftendenzen, abwehrendem Verhalten oder dem Erfordernis der Begleitung zu Arzt- oder Therapieterminen.
Hilfreich ist das Führen eines Pflegetagebuches, in das alles eingetragen wird, was für den zu pflegenden Angehörigen getan wird. Auch sollte notiert werden, wie die zu pflegende Person sich verhält und wie die Interaktion verläuft, insbesondere ob es hier zu Auffälligkeiten kommt. So kann eine gute Einschätzung erreicht werden, in welchem Umfang Pflege erforderlich ist.
Das Behindertentestament
Viele Eltern von Menschen mit Behinderungen machen sich darüber Gedanken, wie sichergestellt werden kann, dass ihr behindertes Kind auch dann noch gut versorgt und gefördert werden kann, wenn sie selbst einmal verstorben sind.
Wenn Eltern das Ziel haben, dass das elterliche Vermögen nach deren Ableben dem Kind zugute kommen soll, vom Kind benötigte Sozialleistungen nicht gekürzt werden sollen und das elterliche Vermögen auch dann in der Familie bleiben soll, wenn das behinderte Kind verstorben ist, kann ein sogenanntes „Behindertentestament“ mit Hilfe eines auf diesem Gebiet spezialisierten Anwaltes erstellt werden.